Montag, 20. Januar 2014

Eine Kollodium-Nassplattenkamera für wenig Geld?

Sie müssen nicht immer gross, teuer und schön sein, die Kameras zur Kollodium-Nassplattenfotografie! Neulich auf dem Flohmarkt sprach mich eine sehr gut erhaltene 9x12cm Plattenkamera aus den 1920ern an. 40 Euro sollte sie kosten, ein marktüblicher Durchschnitt für diese Sorte Kamera. Sie wurden seinerzeit vorwiegend in Dresden für verschiedene Formate (6x9cm, 9x12cm und 10x15cm) als Massenware von ICA, Welta, Voightländer und Anderen produziert, meist ausgestattet mit Anastigmat/ Tessar-Objektiven mit einer Lichtstärke um Blende 4.5 und einem Compur Zentralverschluss. Das von mir erstandene No-Name Exemplar ist mit einem (Julius) Laack Rathenau f 135mm/4.5 Pololyt Anastigmat Objektiv ausgestattet, der Verschluss geht von 1s bis 1/200stel Sekunde. Die Empfindlichkeit einer Kollodium Nassplatte entspricht ungefähr 0.5 ISO, ich werde also vorwiegend die langen Zeiten nutzen. An sonnigen Tagen ist bei Blende 4.5 eine halbe bis eine Sekunde Belichtungszeit ein guter Richtwert, um zu starten. Besser ist es, einen Belichtungsmesser zu nutzen, fantastisch geeignet für die Kollodiumfotografie ist der Gossen Lunasix F, auf seine Anzeige konnte ich mich bisher blind verlassen! 

Zurück zur Kamera, diese wurde damals natürlich nicht eigens für die Nassplattenfotografie konstruiert. Um sie für den Einsatz mit Nassplatte fit zu machen, sind zwei Anpassungen nötig: Wir brauchen eine passende Aufnahme für die Nassplatten und der Fokus der Kamera muss neu justiert werden.

 Die zur Kamera passenden Filmhalter sind zu flach für die Aufnahme von Glas oder Blechplatten. Die ebenfalls damals üblichen Filmmagazine kann man zwar entsprechend umbauen und lichtdicht abdichten, jedoch sind sie aus Eisen- oder Aluminiumblech und das führt in Verbindung mit unseren Silbernitratgetränkten Nassplatten zu massiver Korrosion und infolge dessen zu sehr unsauberen Bildern, weil die Oxidationsrückstände zwangsläufig die Nassplatten kontaminieren.

 Es ist deshalb viel einfacher, einen Radikalschnitt zu machen, indem man die Kamera mit einer Aufnahme für einen Standard-Filmhalter ausstattet, weil man diese wiederum sehr einfach zur Aufnahme von Glasplatten umrüsten kann.


Da meine Kamera nur einen geringen materiellen oder historischen Wert besitzt, ist ein Radikalumbau zu rechtfertigen. Gut ist es, wenn das Kameragehäuse, wie in meinem Fall, aus Holz ist. Dann fällt es leichter, Umbauten vorzunehmen. Ich hatte zudem das Glück, dass die Kamera exakt die gleiche Breite besitzt, wie ein Standard 4x5“ Filmhalter aus Kunststoff. Ich habe kurzerhand das Rückteil der Kamera einfach abgesägt, die Schnittstellen an der Kamerarückseite mit einem Edding wieder geschwärzt, einen Standard 4x5“ Filmhalter aufgelegt und mit 2x2cm Messing L-Winkel eine passende Aufnahme zum Einschieben des Halters angefertigt. Das geht natürlich auch viel einfacher mit den im Baumarkt erhältlichen schwarzen Eck-Kunststoffprofilen, ist dann aber weniger „edel“. Um den Einschub lichtdicht zu machen habe ich vor dem Anschrauben zwischen den Profilen und dem Kameragehäuse schwarzes Silikon aufgebracht und eine flache Nut zum Einkleben von schwarzem Samt als Lichtfalle an der Öffnung des Kassettenfaches an der Kamerarückseite eingearbeitet.

Nachdem das vollbracht war, konnte ich einen Filmhalter passend für die Aufnahme von Nassplatten umrüsten. In meinem Fall ergab der Umbau ein Plattenformat von 88x116mm...mehr ist aus einem Standard 4x5“ Filmhalter auch nicht herauszuholen. Geeignet für einen solchen Umbau sind Filmhalter mit Aluminium-Mittelblech wie z.B. die „Lisco Regal“ Halter oder die „Fidelity Elite“ Serie. Eine gute Anleitung zum Umbau eines Filmhalters zur Aufnahme von Kollodium-Nassplatten gibt hierzu der Artikel meines Kollegen Alex Timmermanns:

 http://collodion-art.blogspot.de/2010/10/normal-film-holder-for-wet-plate.html 

Nun passte der originale Mattscheibenhalter der Kamera natürlich nicht mehr in den modifizierten Filmhalter-Einschub. Kein Problem dachte ich mir, einfach eine Mattscheibe in einem weiteren umgebauten Standard 4x5“ Filmhalter befestigt und alles ist gut?!? Denkste, hier kommt eine kleine fiese Unbekannte ins Spiel mit der ich so nicht gerechnet hatte. Die sogenannte „chemische Fokusdifferenz“ machte mir hier das Leben schwer. WTF? Chemischer Fokus, was zum Teufel ist das, werden sich nun Einige fragen.


Zur Erklärung: Das Kollodium Nassplattenverfahren ist ein fotografisches Verfahren, bei dem der kurzwellige UV-Anteil des Lichtes belichtungswirksam ist (320-500nm), auf unserer Mattscheibe jedoch sehen wir nur den sichtbaren Anteil des Lichtes (440 bis 700nm). Wir sehen also einen anderen Wellenlängenbereich, als die zu belichtende Nassplatte. Die Linsen in den Objektiven haben jedoch leider die Eigenschaft, unterschiedliche Wellenlängen auch unterschiedlich stark zu brechen. Für die filmbasierende Fotografie spielte das kaum eine Rolle, der Film sieht das, was wir auch auf der Mattscheibe sehen, nur bei Infrarotfilmen kannte man schon immer das Problem. Benutzte man die normale Entfernungsskala für Infrarotfilme, dann wurden die Bilder unscharf, weil die langen IR-Wellenlängen im Glas des Objektives weniger stark gebrochen wurden und der reale Fokuspunkt zu weit hinter dem Film lag.

Bei unserem Kollodiumverfahren ist das nun genau umgekehrt, der Fokuspunkt liegt deutlich vor der Filmebene, im Falle meines 135mm Laack-Objektives ganze 4 mm! Das ist für so eine kleine Kamera eine ganze Menge und hat mich wirklich überrascht! Aber es ist nichts Ungewöhnliches und auch kein Beinbruch. Die richtige Mattscheibenebene musste bei meiner Kamera also genau in Höhe der Auflage des Filmhalters angebracht werden. Gesagt, getan, ein kleiner Holzrahmen um die Mattscheibe drumherumgebaut und fertig war der Mattscheibenhalter zum Einschieben in die Kamera.

 Leider gibt es für die Anpassung der Mattscheibe an das Kollodiumverfahren keine Faustregel, da alle Objektive unterschiedlich starke Brechungsdifferenzen aufweisen. Man muss für jede Kamera durch Belichtungsversuche selber herausfinden, wo der entsprechende „echte“ Fokuspunkt für die Arbeit mit Kollodium-Nassplatten sitzt. Ich hatte dafür einen halben Tag herumexperimentiert und selbst nach erfolgter Anpassung musste ich feststellen, wenn ich mit der Mattscheibe auf Unendlich fokussiere ist das Bild wiederum unscharf. Es stellte aber kein schwerwiegendes Problem dar, die Kamera besitzt zusätzlich eine Entfernungsskala am Balgen und nach einigen Testaufnahmen hatte ich diese Skala versetzt und neu auf das Kollodiumverfahren geeicht. Für Portraitaufnahmen bei Offenblende im Nahbereich benutze ich nun die Mattscheibe zum Scharfstellen, für Landschaftsaufnahmen bei geschlossener Blende reicht die Entfernungsskala aus.


 Die Gesamtkosten der Kamera belaufen sich auf 55 Euro, der Zeitaufwand betrug ca. 10 Stunden inkl. der Testaufnahmen (etwas handwerkliches Geschick vorausgesetzt). Mit dem Umbau ist die kleine Kamera nun eine vollwertige und unkomplizierte Wetplate-Kamera, geradezu ideal für den mobilen Einsatz mit einer kleinen Dunkelkammerbox und tragbarer Minimalausrüstung „on Location“. Ich werde sie vorwiegend für Outdoor Portraits und Landschaftsaufnahmen nutzen.


Andreas Reh - Photography on Facebook

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