Montag, 27. Oktober 2014

Zwei Jahre Kollodium-Fotografie - Ein Rückblick

Im Herbst 2012 habe ich begonnen, Silberbilder auf Glas zu bannen, 2 Jahre und ca. 200 Bilder später möchte ich kurz auf diesen Zeitraum zurückblicken.

 Wetplate collodion on clear glass, 18x24cm
Zuerst einmal, ich habe es nicht bereut, diesen umständlichen Weg zu gehen. Die Kollodiumfotografie hilft mir, mich zu fokussieren und bewusster zu fotografieren. Die dem Verfahren zugrunde liegende Langsamkeit erfordert aber auch ein radikales Umdenken.

Zunächst etwas zur technischen Seite: Vorher habe ich schon viel inszenierte Fotografie betrieben, ein Bild zu machen bedeutete für mich also schon immer einen gewissen Aufwand in der Vorbereitung. Neu hinzugekommen ist mit der Kollodium-Fotografie der Einstieg in die Grossformatfotografie, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Zu schaffen macht mir nach wie vor der immense Lichthunger und die extrem knappe Schärfentiefe bei dieser Aufnahmetechnik. Beides kann aber auch ein Vorteil sein, düstere Bilder entstehen leichter, als jemals zuvor und mithilfe des knappen Fokus kann man wunderbar den Blick des Betrachters im Bild lenken.

Bei der Kollodiumfotografie beliebt ist dieser ganz spezielle "orthochromatische" Look, bedingt durch die Blauempfindlichkeit des Aufnahmemediums werden Erdfarben sehr dunkel dargestellt, Himmelsfarben dagegen extrem hell, Haut erscheint in einem bronzefarbenen fast metallischen Teint. Es ist schwer möglich, auch nur ansatzweise ein Bildergebnis vor der Aufnahme vorherzusehen. Das ist einerseits toll, die Überraschung ist jedesmal ein Erlebnis. Andererseits ist es nicht leicht, ein Bild zu planen und auszuleuchten, wenn man nicht weiss, was einen erwartet. Das gesamte Handling, wie Vorbereitung, Belichtung, Entwicklung, Fixierung und Lackierung der Platten geht inzwischen sehr leicht und routiniert von der Hand. Unter kontrollierten Bedingungen weiss ich inzwischen sehr genau, was mich in Sachen Chemie erwartet und was zum Problem werden könnte. Der grösste und wichtigste Faktor im Kollodiumprozess ist nach wie vor die Temperatur, aber das habe ich inzwischen ganz gut im Griff.

Wetplate collodion on clear glass, 18x24cm
Kollodiumfotografie hat aber auch eine soziale Komponente, die ich bisher in der Fotografie so nicht kannte. Fotografie an sich ist vom Nischendasein zur Massenbewegung mutiert, jeder macht Bilder und jeder nennt sich Fotograf. Jedes Bild in dieser Flut von Aufnahmen, das auffallend anders aussieht, weckt Interesse. Kollodiumfotografie ist wie ein Magnet, eine Nische in der Nische analoger Fotografie, ein Hingucker aber gleichzeitig zu 95% verkannt als "coole Vintage Bearbeitung" und "extraördinäre Photoshopleistung".

Eine eingescannte Kollodium-Glasplatte als digitale Kopie auf dem Bildschirm sieht zwar "extrem cool" aus, der Wert wird aber nicht erkannt, weil mit der digitalen Kopie das "Unikat Kollodium-Glasplattenbild" beliebig verfügbar und kopierbar ad absurdum geführt wird. Dass ist so, als würde man seine liebevoll handgestrickten Vintage-Socken beim Billig-Discounter ins Regal hängen. Da werden sie zwar gesehen, aber sicher nicht als etwas Besonderes geschätzt.

Collodion portrait, 18x24cm
Die 5% der Betrachter, die realisieren, dass da mehr dahintersteckt, als Photoshop, sind in der Regel Fotografen, die das auch gerne machen würden, oder seltener Modelle, die schon einmal auf Kollodium fotografiert wurden.

Ein Segen ist es, wenn es mir als Kollodiumfotograf bei der Suche nach einem Model gelingt, zu vermitteln, worum es überhaupt geht. Dann ist es sehr einfach, Modelle dafür zu begeistern. Es ist Anders, es ist Cool, es ist Besonders, auf Glasplatte gebannt zu werden. Aber es polarisiert auch, ich bin auch schon an Leuten gescheitert, die mit diesem Look einfach nichts anfangen können.


Andreas Reh - Photography on Facebook




1 Kommentar:

  1. die geschichte mit dem nehmen und nicht mal dankesagen kenne ich auch zu gut.
    btw. ein toller beitrag :)

    lg
    Vernon

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